Hier kommt also jetzt der
in meinem Moskau-Bericht angekündigte deutsche Bericht über Brighton. Auch wenn Zeit verstrichen ist und vor allem ein weiteres Konzert, eben Moskau, dazwischen lag, möchte ich doch meinen ursprünglich auf Englisch schon geposteten Bericht inhaltlich so belassen, wie er war, und nur das Notwendigste anpassen. Wegen sehr viel Stress war es diesmal leider nicht anders möglich.
Ich habe damals allein schon aus Zeitmangel nicht über jedes Lied berichtet, sondern nur meine Highlights hervorgehoben sowie das beschrieben, was mir wichtig erschien, um einen Eindruck meiner eigenen Eindrücke zu vermitteln.
________________________________________________________________________
18 Lieder standen im offiziellen Programm, plus das eingeschobene
Silent Night plus
In Dulci Jubilo als Zugabe. 8 dieser 20 Lieder waren Weihnachtslieder, die schon an das Konzert in Moskau denken ließen.
Mit
Do You Hear What I Hear eröffnete Libera das Konzert. Tja ... das Wort "anmutig" habe ich in meinem ganzen Leben noch nie verwendet, aber jetzt ist es dran, denn auf dieses Lied passt es für mein Empfinden genau. Die Echos der Solostimmen leuchten auf und versinken wieder. Ein sehr logisches Arrangement von Robert.
In the Bleak Midwinter wurde zu meiner großen Überraschung zu einem meiner Highlights des heutigen Abends. Ich hatte es immer als ganz hübsches Weihnachtslied betrachtet, das aber weiter nichts Besonderes darstellt. Und jetzt ... was für ein bewundernswertes Arrangement hat Robert dem Stück gegeben! Das Lied beginnt sehr "eng", nur von einem instrumentalen Bourdon begleitet, was den Text über eine gefrorene Erde, erstarrtes Leben, die Eintönigkeit (!) perfekt umsetzt. Im Verlauf des Liedes bauen sich dann Schritt für Schritt die Harmonien auf, werden vielfältiger und fügen dem Lied dadurch immer mehr Farben hinzu, und am Schluss ist die Harmonik erreicht, mit der wir das Lied heutzutage kennen. Ich hatte das Gefühl, aus dunkler Einsamkeit in hoffnungsvolles Licht und Freundlichkeit geführt zu werden. Darüber hinaus wurde auf diese Weise alte Musik in einer Art Zeitreise mit moderner Musik verbunden, was dem Lied etwas Universelles verlieh. Dieses doch eigentlich so schlichte Lied hatte hier etwas Erhebendes und war gleichzeitig so liebevoll. Es hat mich sehr beeindruckt.
Sam sang die Vokalisen in
Stay With Me, und das ging einigermaßen holprig los. Umso faszinierender war die Entwicklung: Sie wurden nämlich buchstäblich von Mal zu Mal besser und waren am Ende tatsächlich perfekt! Es war superschön, diese stete Steigerung mitzuerleben. Sam, das war richtig gut!
Und das beweist auch, dass keiner der Jungs sich je entmutigen lassen sollte, falls hier und da mal etwas nicht recht laufen mag. Es sind doch alles nur Momentaufnahmen, abhängig von so vielem. Besonders Victor möchte ich das so gern sagen. Er hatte mein ganzes Mitgefühl, als er am Anfang von
Smile einen ganz kurzen Text-Blackout bekam, der ihn sichtlich belastete. Er wirkte so nachhaltig schockiert, dass ich ihm am liebsten zugerufen hätte: 'Alles ist gut! Jeder in diesem Raum weiß genau, dass du das Lied wunderbar singen kannst; nimm dir dieses dumme Pech bitte nicht zu Herzen." Er hat tadellos weitergesungen, aber offenbar setzte ihm sein winziges Missgeschick doch immer noch zu, obwohl es dafür, wie ich ausdrücklich betonen möchte, absolut keinen Grund gab!

Aber dadurch geriet das Lied zum ernstesten
Smile, das ich von Victor gesehen habe. Als ob ihn die ganze Zeit die Furcht verfolgt, es könnte jetzt gleich noch einmal passieren. Das Gefühl hatte er nicht verdient. Deswegen war ich sehr froh für ihn, dass mit
Wayfaring Stranger noch ein zweites Sololied auf wartete. Vielleicht bekam er Zuspruch in der Pause, vielleicht tat auch der zeitliche Abstand das Seine, jedenfalls sang er den
Wayfaring Stranger wunderschön und mit dem Selbstvertrauen, das wir von ihm kennen.
Wexford Carol hatte als Nr. 1 auf meinem Wunschzettel gestanden. Den Soundcheck hatten wir hinter Glas vom Eingangsbereich aus mitverfolgt, gemütlich, äh ..., auf engstem Raum zusammengepfercht und gleichzeitig vor dem strömenden Regen draußen geschützt. Als dann weit entfernt
Wexford Carols Einleitung zu vernehmen war, war mein erster Gedanke: "Du verwechselst es. Dein Wunschdenken macht dich wirr." Aber nein, es war so!

Und es kann wohl kaum etwas Schöneres vor einem Libera-Konzert geben, als sich in ruhiger Sicherheit auf das Lied freuen zu können, das man am meisten herbeigesehnt hat. -
Wexford Carol in der Libera-Version ist ein Synonym für Atmosphäre. Damit ist alles gesagt. Tadhg sang mit wundervoller Stimme ein ausgezeichnetes Solo.
Mein Solist des Abends war Oliver WR. Ich hörte ihn erstmalig mit
How Great Thou Art und war völlig verzaubert. Seine Stimme gefällt mir äußerst, sie klingt schön, klar und rund, und er traf die Töne perfekt. Er sang in einer schlichten, selbstverständlichen Art und Weise, ganz ruhig, und diese Ruhe übertrug sich wiederum auf mich. Danke, Oliver, dein Gesang hat mich wirklich berührt. Das ganze Lied wurde perfekt gesungen, so wie immer.
Welch ein Luxus, die perfekte Ausführung eines Stücks als Norm zu empfinden. Das ist Libera.
Der zweite herausragende Solist war Dominik. Ich war mega-neugierig auf seinen Gesang gewesen, und jetzt kann ich nur sagen: Ich finde ihn brillant! Er bestätigt meinen vorhergehenden Eindruck, hochmusikalisch zu sein. Ganz eindeutig liebt er das Singen, und ich glaube, dass er die Musik tatsächlich versteht; er hat ein exzellentes Gefühl für Musik. Das ist nicht zu übersehen, und wo andere ggf. Anleitung durch Robert benötigen mögen, braucht er diese nicht; er weiß genau, wo, was und wie er zu singen hat. Den ganzen Abend über war er auf den Punkt da. Es machte mir unheimlich viel Spaß, ihn zu beobachten: Er geht mit der Musik, aber bei ihm wird nie eine Show daraus, sondern er tut genau das, was die Musik fordert, nicht mehr und nicht weniger. Das war es, was ich sah. Was ich hörte, war eine sehr angenehme Stimme und sicherer Gesang. Dominik hat mich wirklich überzeugt. Es scheint ihm mit der Musik sehr ernst zu sein. Ich könnte mir gut vorstellen, dass er Musik zu seinem Beruf macht ... jaaa, später. So ein Glück.
Voca Me war heute ganz besonders eindringlich. Gegen Ende, wenn die Spannung steil ansteigt, war der Chorklang einer Explosion nahe. Gänsehaut - was sonst!
I Saw Three Ships war mir bis zu dem Konzert unbekannt gewesen, und was für einen fantastischen Klang Libera hier präsentierte! Das Lied war so lebendig mit seinem schwungvollen Rhythmus und dem sehr engagierten Chor, dass es sicher jeden im Publikum in den Bann zog. Libera wirkte hier ganz besonders wie eine Einheit, was auch eine Folge der kompakten Formation gewesen sein mag. Temperamentvolles Arrangement von Sam Coates und ein entflammtes Publikum. Wow!
Leider fehlte mir diese mitreißende Wirkung bei
Carol of the Bells. Es war die einzige Enttäuschung des Abends für mich, ein Lied, das zu Hause niemals damit davonkommt, nur einmal zu laufen, sondern bei dem der Repeatknopf praktisch einkomponiert ist. Und nachdem ich es zweimal richtig klasse live gehört hatte, wollte der Funke diesmal nicht überspringen. Technisch war nichts daran auszusetzen, der Gesang war völlig ok. Aber aus irgendeinem Grund wirkte dieses sonst so energiegeladene Lied heute gedämpft, und das tut ihm nicht gut. Vielleicht lag es am Platzmangel auf der Bühne, der die Jungs ihrer Bewegungsfreiheit beraubte und sie so nicht agieren konnten, wie sie es gewohnt sind, was sich dann auf ihren Gesang auswirkte. Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass das Lied mich diesmal nicht erreichte.
Darüber hinaus war ich nicht sehr glücklich über den Einsatz der Percussioninstrumente. Zu viele unterschiedliche Klangarten wurden innerhalb zu kurzer Zeit eingesetzt, was wahrscheinlich die Vielfalt des Liedes unterstreichen sollte, in meinen Augen aber eine überflüssige Unruhe hineinbrachte, weil das Lied ja selbst schon so unermüdlich vorwärts treibt.
Cassius aber sang knuddelige Solorufe am Schluss. Die waren gut!
Nummer 3 in der Liste der beeindruckendsten Solisten des Abends ist uns allen wohlvertraut, aber an diesem Abend übertraf er sich für meine Begriffe selbst mit seiner Interpretation von
From a Distance! Damit rührte Merlin mich wirklich an. Seine Stimme klang einmalig schön, stark, aber gleichzeitig sanft, was in idealer Weise die sehr menschliche Botschaft des Liedtextes vermittelte. Das Stück gehört im Allgemeinen nicht zu meinen Lieblingsliedern, aber diesmal hat es mich gefesselt.
Sehr glücklich war ich, Sam mit einem eigenen Textsolo, nämlich
Gaudete, zu hören. Nach meinem Eindruck war er etwas nervös, aber seine Stimme strahlte so hell, und er traf die Spitzentöne so makellos, dass ich an seinem Können in keiner Weise zweifle. Auf seine weitere Entwicklung und auf weitere Lieder mit ihm als Solisten freue ich mich sehr!
Ja .... während ich
In the Bleak Midwinter um seiner selbst willen wunderschön fand, war ich absolut hin und weg von Dominiks Solo in
I am the Day! Er hat das Lied gelebt! Der ganze Dominik war eine Verkörperung des mysteriösen Flüsterns. Trotz seiner insgesamt zurückhaltenden Art hat dieser Junge ganz klar Bühnenpräsenz.
Dank Solisten wie auch Chor wurde das Lied zu einem weiteren Höhepunkt des Konzerts für mich.
Das sehr berührende
Silent Night folgt in Solistenwahl und Aufbau dem Lied
Nearer My God to Thee. Die Reduktion auf ein Minimum funktionierte auch hier.
Silent Night ist zwar nicht ganz a cappella, aber durch die nicht durchweg vorhandene und dann auch nur extrem dezente Begleitung ganz nah dran. In der Tat trifft das Arrangement die frohe Stille und den vollkommenen Frieden, die Text und Melodie ausstrahlen, schlichtweg perfekt.
Libera war kraftvoll im Ton und gefiel mir heute besonders gut.
Salva Me.
Ups.
Kein
Salva Me.
Wie ist das möglich?
Unvorstellbar, absurd, abenteuerlich, so!

Ein Konzert ohne dieses in meinen Augen charakteristischste aller Libera-Lieder ist unvollständig! Ich finde, das muss wieder zurückgeändert werden, denn kein anderes Lied kann jemals
Salva Me ersetzen, the real
Salva Me!
Allerdings bin ich völlig ausgesöhnt, und mein Schmerz darüber, dass ich Liberas Oktoberkonzert nicht besuchen konnte, ist verschwunden, seit nun auch ich mit Brighton eine besonders lange Reihe tiefer Stimmen erleben durfte. Das war herrlich! Sie trugen entscheidend zu den Harmonien und damit der Stimmung der Lieder bei, übernahmen also einen wichtigen Part für den Gesamteindruck des Konzerts. Künftige Wiederholungen sind sehr willkommen!

Die Ansprachen: Joseph verfügt über Sprecherqualitäten! Es ist ein Vergnügen, ihm zuzuhören. Außerdem bringt mich der Elan, mit dem Tadhg Moose vorstellt, jedesmal zum Lachen: "This is Moose!
The real Moose!" Lustig war auch Alexandre, der, statt einfach auf den für die Präsentation der Robe modelnden Victor zu zeigen, seinen ganzen Arm mit solcher Wucht in Victors Richtung schmetterte, dass ich für den Bruchteil einer Sekunde fürchtete, er würde Victor treffen.

Und Koji! Die Rede kullert nur so aus ihm heraus, und er lacht die ganze Zeit.
Das Orchester versah Liberas Gesang mit sehr einfühlsamer Begleitung. Bei einem der Violinisten lag die ganze Zeit ein zufriedenes Lächeln auf seinem Gesicht. Er muss das Konzert auch besonders genossen haben, und das war so schön zu beobachten. Ich wiederum habe den Hornklang geradezu absorbiert. Ich mag dieses Instrument sehr, aber heute hörte ich es ungewöhnlich deutlich heraus, und es trug noch einmal entscheidend zum jeweiligen Charakter der Stücke bei.
St. Bartholomew's als Konzertort gefiel mir gut. Die Kirche hat eine mystische und gleichzeitig freundliche Ausstrahlung. Schwer zu beschreiben. Aber abgesehen von den schmalsten Stühlen, die man sich vorstellen kann - denkt man dort, dass ein Kinderchor auch nur Kinderpublikum hat?

-, sowie ungenügender Heizung habe ich mich sehr wohlgefühlt. Die Lichttechnik war ebenfalls sehr wirkungsvoll.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass in Brighton ein weiteres erstklassiges Libera-Konzert mit einem äußerst präsenten Chor über die Bühne ging! Für mich war der Abend ein intensiver Genuss und diesmal vor allem statt mit Wehmut mit neuer Vorfreude am Schluss. Denn glücklicherweise war Moskau bereits in Sicht, sodass ich diesmal nur 13 Tage bis zum nächsten Konzert ausharren musste.
Vielen Dank an Libera und alle, die an diesem gelungenen Konzert beteiligt waren. Ihr habt in einer für mich extrem stressigen Zeit meine Akkus wieder voll aufgeladen! - Es ist so gerechtfertigt, diese Reisen zu Liberas Konzerten zu unternehmen. Wir investieren in sie, aber wie viel mehr erhalten wir zurück!
Ein tolles musikalisches Wochenende war das, das sich diesmal ganz besonders gelohnt hat.
__________________
Edit: Hier noch die Liste aller gesungenen Lieder. Wenn wir sie schon nicht vollständig besprochen haben.
Do You Hear What I Hear
Sanctus
In the Bleak Midwinter
Stay With Me
Ave Maria (Robert)
Wexford Carol
In Paradisum (Robbins)
Smile
How Great Thou Art
Voca Me
I Saw Three Ships- Pause -
Carol of the Bells
From a Distance
Wayfaring Stranger
Gaudete
I am the Day
Joyful JoyfulNicht gelistet:
Silent Night
LiberaZugabe:
In Dulci Jubilo