Bevor es losgeht, muss ich anmerken, dass manches in diesem Bericht auf einem Vergleich zu dem vorhergehenden Konzert in Brighton beruht, dessen Bericht bereits existiert, den ich in diesem Forum allerdings noch nicht abgeliefert habe.
Das ist chronologisch jetzt natürlich ein bisschen blöd, aber ich möchte die beiden Berichte nicht mixen, bitte daher um Nachsicht und verspreche, Brighton so schnell wie möglich nachzuholen.
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Ein Juwel von einem Konzert: MoskauAllein schon aus ganz praktischen Gründen war Moskau für mich ein besonderes Konzert. Eigentlich bin ich niemand, der Libera hinterher reist. Ich bin ganz zufrieden mit Liberas UK-Konzerten, denn was will ich mehr, als dass sie, nicht mehr als eine Flugstunde entfernt, vor meiner Haustüre liegen und bislang verlässlich zweimal pro Jahr eine Konzertgelegenheit für mich bieten? Aber dann gab es erste Hinweise auf das Konzert in Moskau, in einer neu gebauten Philharmonie mit einem Libera-Konzert als Bestandteil der Eröffnungssaison. Da gab es allerdings kein Halten mehr. Alles in mir rief: "So eine Gelegenheit kommt einmal und nie wieder. Mach es einfach." Und da ich so brav bin, zog ich los ins Internet und kaufte die teuerste Karte, die ich bekommen konnte. Das hat sich zwar später als überflüssig herausgestellt, aber man kann es ja vorher nicht wissen, und wenn ich schon da hinreise, dann soll auch alles passen. Was bin ich froh, dass ich die Reise unternommen habe! Ich habe jeden Moment dieses unvergleichlich tollen Konzerts in vollen Zügen genossen!
Aber ganz ruhig von Anfang an, obwohl ich nach inzwischen über einer Woche immer noch unter dem Eindruck des Konzerts stehe. Beginn war um 19:00 Uhr, ab 18:00 Uhr war Einlass ins Gebäude, und natürlich waren wir pünktlich da ...
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... allerdings wurde drinnen unsere Geduld auf eine harte Probe gestellt, weil die Saaltüren erst eine Viertelstunde vor offiziellem Konzertbeginn geöffnet wurden, also ungewöhnlich spät. Wir vertrieben uns die Zeit u. a. damit, den winzigen Flyer zu studieren, der sich Programm zu nennen wagte. Er bestand aus grade mal vier Seiten und enthielt auch grade mal das Allernötigste an Angaben, was ich auch von einem 50-Rubel-Programm immer verlange, egal wie wenig Platz vorhanden ist: Titel, Komponist, Texter, Arrangeur, aber das gab es dann eben auch auf Russisch und Englisch. Eine Liste der Jungs fehlte, was ich nicht weiter schlimm fand, aber eine Auflistung der Musiker hätte ich doch angebracht gefunden. Na ja. Ein russischer Fan informierte uns, was die russischen Übersetzungen tatsächlich bedeuteten.
Wussten Sie z. B. schon, dass ...
...
In the Bleak Midwinter "Während der tristen Sonnenwende",
...
Voca Me "Du liebst mich",
...
I am the Day "Ich bin am nächsten Tag"
heißt?
Okay, besser für uns alle, dass die letztgenannte Übersetzung an diesem Konzerttag nicht ganz akkurat war.
Mein Platz war an sich in der 2. Reihe. Durch ein sehr nettes Angebot eines anderen Fans konnte ich aber in die Mitte der 1. Reihe umziehen, und so war ich dem Konzertgeschehen näher als jemals zuvor. Das kann wohl nicht mehr übertroffen werden. Es war das Beste, was mir passieren konnte, und ich freute mich besonders darauf, Robert in die Karten gucken zu können. Wäre das Konzert ausverkauft gewesen, hätte es allerdings Probleme gegeben, da Robert seinen Platz wie üblich vor der Bühne hatte.
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In dem Fall hätte a) die Person direkt hinter Robert ihre Beine an der Garderobe abgeben oder Robert auf den Schoß nehmen müssen und b) hätte Robert aushalten müssen, dass ihm jemand direkt über die Schulter guckt. Ein Unding. Der Philharmonie möchte ich hier keinen Vorwurf machen, denn normalerweise gehört der Dirigent zu seinen Musikern auf die Bühne. Libera muss die Gegebenheiten vor Ort in Zukunft im Vorfeld - bevor der Ticketverkauf beginnt - genau abklären. Soweit ich gehört habe, kam etwas Ähnliches vor gar nicht langer Zeit schon einmal vor; also sollten sie daraus nun gelernt haben. Glücklicherweise, in diesem Fall muss man das so sagen, blieben viele Plätze in der ersten Reihe frei, obwohl sie lt. Saalplan belegt waren. Möglicherweise handelte es sich um Abo-Plätze, deren Besitzer nicht erschienen. Kurz vor Beginn erschien ein Mitarbeiter der Philharmonie und bot drei Zuhörern aus der zweiten Reihe, die noch nicht im ansteigenden Bereich lag, einen Wechsel in die erste an, da sie sonst direkt hinter dem Dirigenten sitzen und nur eingeschränkte Sicht haben würden. Zwei davon folgten der Einladung gerne. Man könnte meinen, dass Reihe 1 vor allem dazu angetan ist, sich den Hals zu verrenken, aber wir kamen drum herum, weil die Bühne relativ niedrig war. Ich hatte den besten Blick all meiner bisherigen sieben Konzerte.
Die Leute strömten noch bis unmittelbar vor Beginn herein, und am Ende sah es doch nicht so schlecht mit der Anwesenheit aus, wie wenige Tage zuvor noch befürchtet.
Also wie gesagt, siebtes Konzert, und jetzt wird das Ranking langsam schwierig. Eins allerdings ist klar: Kein anderes Konzert hat so oft und viel Gänsehaut bei mir ausgelöst. Es unterschied sich ja bereits dadurch, nicht in einer Kathedrale, sondern in einem Konzertsaal stattzufinden. Ich finde nach wie vor, dass Libera für Kathedralen prädestiniert ist. Vallendar hatte schon eher wie ein Konzertsaal gewirkt und weniger wie eine Kirche, aber eine Philharmonie ist von vornherein für Konzerte ausgelegt, und so spielt das akustische Ergebnis die entscheidende Rolle bei der Konstruktion und der Wahl der Materialien, grade der verwendeten Holzarten. Deswegen war ich extrem gespannt auf die Akustik, und sie war wirklich großartig: unwahrscheinlich klarer und transparenter Klang! Ich hörte heute einiges an Klängen, was mir vorher nicht bewusst gewesen war. Sehr interessant.
Das einzig Negative war ein nerviges Rauschen der Belüftungsanlage während der ganzen Zeit. Kaum zu fassen, so laut in einem Konzertsaal. Da müssen sie noch mal ran.
Die Orgelpfeifen sind hinten oberhalb der Bühne, sodass man vom Parkett aus einen schönen Blick darauf hat, und ihre Anordnung entspricht dem typisch geschwungenen Design dieser Philharmonie, das sich auch überall im Saal wiederfindet.
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Die Lichtchoreografie bei einem Libera-Konzert ist in solch einer nüchternen Halle natürlich eine größere Herausforderung als in einer Kathedrale, wo die gebäudeeigenen Farben, Ornamente, Bögen, Kuppeln usw. effektvoll genutzt werden können. Aber nach meinem Eindruck wurde das Reflektieren der Orgelpfeifen einbezogen. Ich fand es gut.
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Die Songliste war mit der in Brighton identisch. Demnach war wie vermutet Brighton gleichermaßen eigenständiges Konzert wie auch Generalprobe für Moskau.
Do You Hear What I Hear? (Ben B., Camden, Oliver WR, Sam)
SanctusIn the Bleak Midwinter (Dominik)
Stay With Me (Oliver M., Sam)
Ave Maria (Prizeman) (Ben B.)
Wexford Carol (Tadhg)
In Paradisum (Rocco, Oliver WR)
Smile (Victor, Alex M.)
How Great Thou Art (Oliver WR)
Voca Me (Leo)
I Saw Three Ships- Pause -
Carol of the Bells (Cassius)
From a Distance (Merlin)
Wayfaring Stranger (Victor)
Gaudete (Sam)
I am the Day (Dominik, Oliver M., Peter)
Joyful Joyful Nicht im Programm aufgeführt:
Silent Night (Merlin, Ben B., Mathias, Victor, Rocco, Leo)
Libera (Tadhg, Rocco)
Zugabe:
In Dulci Jubilo***************************************************
Je Lied waren entweder 26 oder 30 Jungs auf der Bühne. Soweit ich mich erinnere, waren alle 30 Jungen beim ersten Lied anwesend, dann gingen die älteren - Alex G. und M., Camden und Marc - und kehrten zu
Stay With Me wieder zurück.
Do You Hear What I Hear? Das Eröffnungslied eines hervorragenden Konzerts und wie schön es gesungen wurde! Das war das dritte und beste Mal, dass ich das Lied live hörte. Ich liebe den auf vier Solostimmen konzentrierten Beginn des Liedes, wobei ich mich speziell über die Beteiligung von Camden mit seiner schönen Stimme freute, während der Rest des Chores nach und nach unauffällig auf die Bühne kam. Die Echos bauten sich immer mehr auf. Heute klang das Stück besonders intensiv. Einfach zurücklehnen und das Lied einatmen. Ein erstes Highlight, und was es versprach, wurde den ganzen Abend über gehalten.
Sanctus Die Jungen stellten sich in einem großen Halbkreis auf, damit wir sie einfacher zählen konnten.
Nein, das ist natürlich Quatsch. Aber ein Halbkreis ist schon eine nette Formation, um einfach mal die Augen von einem zum nächsten wandern zu lassen und jeden Sänger gleichermaßen zu würdigen. Das Lied selbst gefällt mir in dieser Fassung weit besser als in den vorhergehenden, und der Chorklang war strahlend und stark.
In the Bleak Midwinter Das war mein erstes Gänsehautstück in einer langen Reihe weiterer an dem Abend. So ein feinfühliges Arrangement! Harmonie gesellt sich zu Harmonie, das Lied blüht auf vom Dunkel ins Helle, wird immer freundlicher, immer sanftmütiger, gewinnt immer mehr an Leben. Ich bewundere das, einfach weil es damit eine so starke Botschaft vermittelt. Das Lied ist voll zunehmender Hoffnung, Libera sang es mit weichem Ton, Dominiks Solo war erneut ausgezeichnet, und am Ende fand ich mich in Tränen.
Stay With Me Oliver verbessert sich von Mal zu Mal, wie ich finde. Er scheint langsam an Selbstbewusstsein zuzulegen, was auch gerechtfertigt ist. Und Sam sang seine Vokalisen alle fabelhaft! In keiner Weise hatte er die Brighton'schen Startschwierigkeiten, wo eine deutliche Entwicklung von Mal zu Mal stattfand, sondern diesmal saßen die Vokalisen sofort. 1a!
Ave Maria (Robert Prizeman)
Das bleibt ja eins meiner Lieblingslieder von Libera, und der Klang war so wunderschön empfindsam wie sonst auch. Was mir mein Konzerterlebnis bereichert hat, war, mich hier und da einmal in russische Zuhörer zu versetzen, die Libera gar nicht oder kaum gekannt hatten. Das war schön, weil ich dadurch "neu" hören und die Überraschung über Liberas einmalige Musik noch einmal nacherleben konnte. Gerade bei diesem Lied dachte ich daran, weil die osteuropäische Musik über ganz besonders schöne Melodik verfügt und Molltonarten vorherrschen, was der Musik oft einen melancholischen Touch verleiht, den ich sehr liebe. Deswegen versuchte ich mir vorzustellen, wie die Russen das Ave Maria wohl empfanden und ob es ihnen gefiel ... ich hoffe es sehr.
Wexford Carol Ich wünsche mir mehr Solos von Tadhg! Seine Stimme ist wirklich schön, und ich möchte ihn nur zu etwas mehr Mut ermutigen.
Ist aber eine geringfügige Sache; ansonsten habe ich seinen Gesang durch und durch genossen. Ganz wie auch das Lied selbst, das in der Libera-Version, ich kann es nicht anders ausdrücken, meine Seele streichelt. Durch die leicht wiegenden Harmonien und den sachten Chorklang hat es etwas Meditatives. Wenn ich Libera dieses Lied singen höre, spüre ich ein ruhiges Glücksgefühl, und so war es auch jetzt. Wunderschön, sehr bewegend!
In Paradisum ... war berauschend! Dabei ging es nicht ganz makellos los. Roccos Solo war zwar sauber, aber unsicher im Ton. Das war allerdings bald vergessen, und in den Refrains strahlte seine Stimme brillant! Reine Spitzentöne, klare Melodieführung. Gemeinsam mit den Harmonien vom Chor und dem Orchester hüllte die Musik mich vollständig ein, riss mich mit , und plötzlich hatte ich nur noch den Wunsch, es möge eine dritte Strophe geben, um dieses Gefühl zu verlängern. Ich habe das Lied zum dritten Mal live und x-mal als Aufnahme gehört, und es zieht mich immer mit, aber nie hatte es eine intensivere Wirkung auf mich als heute. - Rocco stand in der Mitte und sang die ersten Zeilen jeder der beiden Strophen allein, dann wurde er von Merlin aus dem ihn umgebenden Halbkreis unterstützt. In der zweiten Strophe sang Oliver WR die zweite Stimme - das war wunderschön. Rocco sieht bei den Konzerten immer sehr nach innen gekehrt aus, Oliver wiederum steht da und ruht in sich. Immer wieder faszinierend, diese Unterschiede zu beobachten.
Smile Siehst du, Viktor? Du warst so gut heute, tadellos!
Hoffentlich gibt dieser Abend Victor genug Selbstvertrauen, damit er bei dem Lied in Zukunft wieder lächeln kann, wie wir es so lieben. Er war tatsächlich wieder ernst, wahrscheinlich mit Brighton im Hinterkopf, aber spätestens nach dem Moskauer Konzert sollte er das kleine Missgeschickchen dort wirklich für sich ad acta legen.
How Great Thou Art Durch und durch ein Genuss, vor allem durch die besonders schöne, ruhige Stimme von Oliver WR.
Voca Me WOOOW!
Voca Me war fulminant! Dabei hat die hervorragende Saal-Akustik mich sogar erst mal getäuscht: Die ersten Töne klangen mir merkwürdig, und für einen Moment fürchtete ich, dass grade etwas schiefgehe. Aber das kam nur durch den extrem differenzierten Klang in diesem Saal, was sich bei diesem Stück besonders zeigte. Nach der anfänglichen persönlichen Verwirrung war das Lied ein totaler Genuss. Leo!! Mein Platz erlaubte mir den direkten Blick auf ihn, durch den Chor hindurch. Er stand ganz hinten rechts, etwas abgewandt von der Bühne, und besonders geschickt war: Er trug seine Kapuze! Das und die Sicht auf ihn nur im Profil machte ihn selbst unsichtbar, sodass dort für mich nur eine Robe stand, aber nicht mehr er selbst, was in der Tat so wirkte, als stände dort ein Geist. Genialer Effekt, rätselhaft, unheimlich, was die Tatsache, dass um
Voca Me herum keine zum Lied passende Kathedrale, sondern "nur" eine höchst diesseitige Philharmonie stand, mehr als kompensierte!
So, und dann Leos Vokalisen von seinem Platz aus: gestochen scharf! Der Chor: fantastisch! Die Strecke bis zum Höhepunkt: perfekt gesteigert! Mit dieser aufwühlenden Darbietung überwältigte Libera das Publikum, und als das Lied endete, erklangen die ersten Bravorufe des Abends. Über die begeisterte Reaktion war ich sehr glücklich, weil
Voca Me eins meiner beiden ewigen Libera-Lieblinge ist. Ab dann gab es später immer wieder mal Bravorufe, und was in einer Kirche unangemessen ist, ist in einem Konzertsaal in Ordnung und machte mir Spaß. Überflüssig zu sagen, dass
Voca Me mich mit Gänsehaut nur so überschauerte.
I Saw Three Ships Das Stück gefiel mir noch besser als in Brighton. Vielleicht weil Libera ganz wörtlich genommen mehr Raum für die Strahlkraft des Stücks zur Verfügung hatte, denn die Intensität, mit der sie sangen, war dieselbe. Die Jungs bildeten Gruppen von 6 Jungen links und 7 rechts, die jeweils in einer zur Mitte hin ausgerichteten Diagonale standen, wo die restlichen 13 Jungen versammelt waren. Das Lied selbst mag erst mal nicht sehr liberahaft scheinen, aber es ist ja immer eine Sache des Arrangements, und Sam Coates' Arrangement klingt sehr nach Libera. Wer könnte dieser Energie widerstehen?! Das ideale Lied, um ein Publikum mit besten Gefühlen in die Pause zu entlassen.
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Während der Pause gab es Getränke im Foyer, aber ich blieb und kam sehr nett mit meinen russischen und offenbar musikalischen Nachbarinnen ins Gespräch, die mich mit Fragen zu Libera überschütteten. Sie hatten Libera nicht gekannt und waren ausgesprochen angetan von der Musik, und ihren Fragen nach zu urteilen, hatten sie auch sehr aufmerksam zugehört und den Chor beobachtet. Interessant war ihre Frage, warum die Jungs so ernst seien und ob sie entsprechend angewiesen würden. Was ich verneinte, im Gegenteil versuche Robert sein Bestes, ihnen mehr Lächeln zu entlocken. Dirigentenschicksal.
Ich denke mir, dass die Kinder sich einfach zu stark konzentrieren, um noch Platz für entspanntes Lächeln zu finden.
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Carol of the BellsJajaja! In Moskau war er wieder da, der Schwung, den ich in Brighton vermisst hatte! Die Formation war dieselbe wie in
Three Ships: 6 - 13 - 7, mit der sie sehr clever eine Verbindung zwischen den beiden Konzerthälften herstellten; auch dadurch, dass ihre beiden energiegeladensten Stücke am Ende der ersten und am Beginn der zweiten Hälfte standen. Die Stelle, auf die ich jedesmal warte und die für mich einen der Höhepunkte des Liedes darstellt, nämlich das letzte "from everywhere filling the air, oh how they pound" war genauso soghaft vorwärtsdrängend, wie ich es liebe,
Am Ende ging Cassius in die Mitte, und nun weiß ich nicht mehr, ob es hier war oder vorher bei einer Ansprache, die er hielt; auf jeden Fall schmolz er an dem Abend die Herzen der Zuschauer: Ein unterdrücktes gerührtes "Och" kam aus dem Publikum, und mir ging es genauso. Nach "Ding-dong, ding-dong" wollte das Publikum gerne klatschen, wie es häufig passiert, aber Cassius konnte sein Solo dann doch gehört beenden. Sehr süßes Ende eines stürmischen Liedes!
From a Distancewar in Brighton exzellent von Merlin gesungen worden und so auch in Moskau. Der Chorklang war voll und rund. Und ich liebe Merlins ganz spezielle Art, "is the" auszusprechen. Wenn er eines Tages dieses Solo an seinen Nachfolger übergeben muss, werde ich ihn wirklich vermissen, weil das seine persönliche Note
in dem Lied ist.
Wayfaring StrangerUnd jetzt kommen wir zu meinem Topfavoriten des heutigen Abends. In einem früheren Bericht hatte ich mal gesagt, dass Aufführungen dieses Liedes jedesmal komplett gut sind. Aber heute ... war es nicht nur gut. Es strahlte eine Atmosphäre von Geschlossenheit innerhalb Libera aus, die ich in dieser Ausprägung noch nicht erlebt habe.
Die Flöteneinleitung von Eimear McGeown, die bei dem Stück seitlich vorn auf der Bühne stand und mit einem Spot beleuchtet wurde, war sehr mystisch. Dann schritt Victor mit ebenso schlicht wie makellos gesungenem Solo durch das übliche V nach vorne. Alles normal. Als aber dann der Chor hinzukam und die Harmonien sich zu dem vollen, reichen Klang entfalteten und der Chor da stand und uns so direkt ansang, vermittelte das ein unaussprechlich starkes Gefühl von Einigkeit. Als ob sie sagen wollten: "Wir sind eins, wir sind immer füreinander da, und das gerne." Bisher hatte ich Sam Coates' Arrangement als tröstliche Vorstellung aufgefasst, dass besagter wayfaring stranger seinen schweren Weg nicht allein gehen muss, sondern hilfreiche Freunde ihm beistehen. Aber diesmal bekam das Lied für mich eine zusätzliche Dimension, indem es sich auch auf Libera selbst zu beziehen schien, auf ihr Gefühl zusammenzugehören. Ich weiß, dass das sehr subjektiv ist, aber so kam es tatsächlich bei mir an, ohne mein Zutun. Und es hat mir ein Gefühl von Wärme und Frieden gegeben. Diese Aufführung von Wayfaring Stranger ging mir echt unter die Haut.
GaudeteWie bereits oben angekündigt, hatte Sam an diesem Abend sozusagen einen Lauf. Am Anfang seines Solos hier schien er noch ein wenig nervös, aber sobald er seine Stimme in den Chorklang einbetten konnte, wurde er auch mutiger - was ich sehr gut nachvollziehen kann - und sang gerade die Spitzentöne auf den Punkt aus, mit klarer, strahlender Stimme. Fantastischer Klang! Hat mir unglaublich gut gefallen.
Merkwürdigerweise machte ich diesmal einen neuen oder vielleicht auch nur neu arrangierten Part in dem Lied aus, aber vielleicht war mir das bei den vorherigen Malen ja nur durchgegangen. Wenn aber wirklich etwas Neues in Gaudete eingebaut wurde, bedeutet das womöglich, dass das Lied auf der neuen Christmas-CD sein wird?
I am the DayDas Lied funktioniert für mich nach nur live, aber dann auch verlässlich. Und ich liebe Dominiks Art zu singen, nicht nur solo, sondern grundsätzlich. Er scheint sehr unabhängig im besten Sinn zu sein, d. h.: Er geht nicht über Robert hinweg oder ordnet sich nicht ein, sondern er agiert einfach sehr sicher, er weiß immer, wie er zu singen und was er zu tun hat. Und ich bin überzeugt, dass er ein ausgezeichnetes Rhythmusgefühl hat - in Brighton bemerkt, in Moskau bestätigt.
Auf raffinierte Art ausgewogen war die Choreografie zwischen Leo mit seinen Vokalisen und deren tiefen Beantwortung durch Alex M. Leo stand vorne und etwas rechts, seitwärts mit nach links gerichtetem Gesicht. Alex war hinten, etwas links, seitwärts mit dem Gesicht nach rechts. Harmonisch in Harmonie. Klasse gemacht.
Joyful JoyfulAlle Zuhörer aller Konzerte mögen dieses Stück mehr als ich. Es war sehr gut, aber ich mache mir nix draus.
Silent NightDie bekannte Sechsergruppe mit einem Hauch instrumentaler Begleitung in der Mitte - ein so berührendes Arrangement dieses so wunderschönen Liedes. Und die Zuhörer ... obwohl sie so klatschfreudig waren, kappten sie mit ihrem Applaus doch niemals ein Stück vor dessen Ende, und nach
Silent Night herrschte kurz völlige Stille. Sehr empathisches Publikum über den ganzen Abend.
LiberaDas Lied war ein überzeugendes Statement, dass Libera Libera ist und ein weiterer Grund für Gänsehaut.
Nach diesem Abschluss des offiziellen Programms gab es - vermutlich aus einer gewissen Ehrfurcht gegenüber einer edlen Philharmonie heraus
- nur eine recht löchrige Standing Ovation, dafür allerdings frenetischen Applaus! Es war wirklich ein sehr dankbares Publikum, und ich war glücklich sowohl über Liberas Erfolg als auch über den Respekt, den das Publikum Libera entgegenbrachte.
Robert wurde vom Chor auf die Bühne geholt, bekam von einer Philharmonie-Mitarbeiterin Blumen heraufgereicht, dann sangen sie uns
In Dulci Jubilo als Zugabe, und anschließend verließ Libera winkend die Bühne, begleitet vom anhaltenden Applaus des Publikums ... nur nicht von einer sehr kleinen Person, die weiter vorne auf der Bühne kauerte, bescheiden und ganz allein. Die Techniker, die das Equipment abbauten, ignorierten den Libera Moose konsequent. Das alles brach mir das Herz und rief meine mütterlichen Gefühle auf den Plan. Als nach einer Weile immer noch nichts passiert war und wir nun auch endlich den Saal verlassen mussten (wir waren mal wieder die Letzten), konnte ich nicht mehr an mich halten und bat einen der Techniker, Moose zu den Jungs zu bringen. Und dieser reagierte umgehend (!), hob Moose sorgsam auf und trug ihn hinter die Bühne. Gut, dass er unterwegs nicht gemoosenapped wurde, denn ehrlich: Wer kann solchen Augen widerstehen?! Danke an den verständnisvollen Überbringer!
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ModerationenDie nicht so heimlichen Stars des Konzerts waren keineswegs irgendwelche Solisten, sondern diejenigen, die die russischen Ansprachen hielten: Dominik, Oliver M. und Jack. Dominik und Oliver teilten sich eine Ansprache, während Jack eine für sich allein hatte. Dominik fing an, und nach seinem ersten Satz applaudierte das Publikum postwendend. Und so ging es weiter: Jeder, aber auch jeder Satz wurde mit Applaus beantwortet. Das Publikum war nicht zu stoppen. Ich bewunderte Dominik, dass er angesichts der ständigen Unterbrechungen nirgends den Faden verlor, doch das zeigt, dass hier nicht einfach nur stur auswendig gelernt wurde. Er war absolut professionell, so wie die anderen beiden auch, und alle sprachen fließend. An das Applausverhalten während Olivers Rede kann ich mich nicht erinnern, sehr wohl aber an die Begeisterung der Zuschauer über Liberas Geschenk, in ihrer Sprache zu moderieren. Was für ein dankbares Publikum!
Und dann machte ich die Erfahrung, dass auch eine Ansprache einen zu Tränen rühren kann. Nach Jacks in super-fließendem Russisch gehaltener Rede belohnte das Publikum ihn mit dem längsten Applaus des Abends, der über seine gesamte Dauer nicht abebbte. Wie glücklich haben sie dieses Kind an dem Abend gemacht! Und ich fragte mich, ob er wohl später würde schlafen können, nach so viel Euphorie und Triumph, sicher für immer unvergesslich für ihn. Mit breitestem Lächeln, buchstäblich von einem Ohr zum anderen, stapfte Jack zurück an seinen Platz im Chor. Nie zuvor habe ich ein glücklicheres Libera-Kind gesehen, und bei der Erinnerung steigen mir immer noch die Tränen in die Augen. Das war einfach zu goldig!
Ohnehin kann man dem Publikum nicht vorwerfen, nicht hellwach gewesen zu sein!
Tadhg hatte die Worte "This is Moose" kaum ausgesprochen, schon klatschte das Publikum und hinderte Tadhg am Weitersprechen. Er wiederum musste auch lachen und ich auch.
Und dann war da noch ...Höchst interessant für mich war die Interaktion zwischen Robert und den Jungen, was ich von meinem Platz aus bestens verfolgen konnte. Diese einmalige Gelegenheit habe ich ausgiebig genutzt. Besonders habe ich auch auf Roberts Gesichtsausdruck geachtet, etwas, das jeder Dirigent einsetzt, um ans Ziel zu kommen. Roberts dirigiert sehr zurückhaltend, aber außerordentlich präzise. Er macht den Abschlag am Ende eines Liedes, wartet den Applaus eine Zeitlang ab, während der Chor still stehen bleibt, und gibt dann das Zeichen zum Umstellen, falls erforderlich. Ebenfalls gibt er an, wann eine Rede beginnen soll. Seine Bewegungen sind unmissverständlich, und die Jungs folgen ihnen mit höchster Aufmerksamkeit. Und es kommt auch schon mal vor, dass sein Taktstock von der rechten in die linke Hand wandert, und dann dirigiert er halt "mit links".
Eine ganze Anzahl Jungs kämpfte offensichtlich mit Erkältungen, es gab einige Huster und Nieser. Was sich aber nirgends störend auswirkte, es machte das Konzert im Gegenteil nur noch persönlicher und netter. (Was nicht heißen soll, dass ich ihnen Erkältungen an den Hals wünsche.
) Jemand gähnte auch herzhaft, wofür er sich günstigerweise eine Gesangsstelle auf "ah" ausgesucht hatte - oder wurde das Gähnen durch das "ah" erst ausgelöst?
Ein Junge hatte keine Schuhe und verbrachte den Abend in weißen Socken. Wie gut, dass sie auf Socken zurückgreifen können, wenn sie mal ihre Schuhe vergessen, was ja öfter vorkommen soll. Interessant wäre aber zu erfahren, was passiert, wenn ein Junge seine Robe vergisst. Ist eine Reserverobe (das Wort sieht komisch aus) bei den Chaperones deponiert? Jedenfalls muss Romeo sich zumindest mit Schuhthemen nicht befassen. Sein Robe ist so lang, dass sie auf dem Boden aufliegt und seine Füße unsichtbar macht. Was ihm die Freiheit gibt, je nach Laune grüne Schuhe, schwarze Schuhe, keine Schuhe, keine Socken oder was auch immer zu tragen ... nur wozu eigentlich?
Ganz erstaunlich, was man alles mit seinen Füßen machen kann, während man oben singt, und mit großem Vergnügen habe ich über den Abend hinweg ein Chormitglied beobachtet, dessen Füße ganz losgelöst von ergreifendem Gesang ihr Eigenleben führten: Stehen auf den Außenkanten war besonders beliebt, aber auch einen Fuß auf den anderen stellen, auf einem Bein stehen, immer in Bewegung bleiben, sonst rosten die Gelenke ein ...wobei sich nichts davon negativ auf die Konzentration des dazugehörigen Sängers auswirkte.
Nach dem Konzert warteten einige von uns draußen noch darauf, die Jungs "from a distance" wegzuwinken, und es war lustig, wie die erste Gruppe von ihnen ganz natürlich zur linken Seite des Busses strebte, weil sie dort die Tür vermuteten. Die britische Seite.
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Highlight auf Highlight, Gänsehaut und Tränen. Damit ist mein Konzertabend umrissen, und das hatte ich in diesem Ausmaß bestimmt nicht erwartet. Es wäre toll gewesen, wenn sich noch mehr Libera-Fans dort eingefunden hätten, um das Konzert gemeinsam zu erleben. Ich kann nur hoffen, dass Libera gemerkt hat, wie wunderbar sie waren und wie viel sie dem Publikum mit ihrer Musik gegeben haben. Zweifellos haben sie die Zuschauer für sich gewonnen. Für mich war dies mit zwei Wochen der kürzeste Abstand zwischen zwei Konzerten, und daher weiß ich jetzt auch: Je öfter man ein Libera-Konzert hat, desto süchtiger wird man nach dem nächsten.
An Libera und alle, die das Moskauer Konzert ermöglicht haben: Ich kann nicht ausdrücken, wie dankbar ich dafür bin, dass ich dieses absolut atemberaubende Konzert erleben durfte! Es hat einen tiefen Eindruck in mir hinterlassen, den ich nie vergessen werde.