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"Arundel" - wie oben geschildert, der sagenumwobene Ort. Libera hat dort 2007, 2009, 2010, 2012 und 2014 Konzerte gegeben. Deswegen wartete ich sehnsüchtig auf meine eigene Chance. Man muss ja an der Vervollkommnung seines Libera-Lebens arbeiten. Kann sich also jemand vorstellen, wie elektrisiert ich war, als dieses Konzert angekündigt wurde? Das Wetter entschädigte uns in denkbar bester Weise für das, was es uns in Brighton angetan hatte. Durchschnittlich hatte es begonnen und sich dann Tag für Tag immer weiter hochgearbeitet, bis sich dann am Samstag alles zu einem großen Highlight zusammenballte - in jeder Hinsicht.


So begann mein Aufenthalt in Arundel gut und verbesserte sich direkt noch einmal. Denn in der ersten Nacht fand endlich mein regulärer Albtraum statt, den ich hier schon mehrfach beschrieben habe und bei dem es nur darum geht, aus allen möglichen und unmöglichen Gründen zumindest einen Teil des Konzerts zu verpassen!


Mit dem Teaser-Tweet vom 30. Mai, "Some surprises to be performed....", hatte Libera natürlich Spekulationen darüber ausgelöst, welcher Natur diese Überraschungen denn sein würden. Übertrieben hatten sie jedenfalls nicht! Während des Soundchecks, der hinter geschlossenen Kathedralentüren stattfand, hörten wir zu unserer großen Freude Salve Regina. Damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet und empfand es als Geschenk, aber es war ein anderes, das mein Herz zum Klopfen brachte: How Shall I Sing That Majesty. Es hatte von Tag 1 an auf meinem Konzertwunschzettel gestanden, und damit wurden mir an dem Abend gleich zwei lange und innige Wünsche erfüllt. Ohnehin kann ein bestimmtes Lied im Programm mich voll und ganz glücklich machen, egal wie der Rest ausfällt. In Ely letztes Jahr war es dasselbe mit Roberts Ave Maria.
Kürzlich hatte ich mit ein paar Fans darüber gesprochen, dass ich mich im Libera-Konzert am liebsten überraschen lasse, was das Programm und Solisten betrifft, und gerne bis zum letztmöglichen Moment in Ungewissheit lebe. Hinzufügen möchte ich, dass auch der Soundcheck das nicht verdirbt, denn dann erhalte ich die Info direkt von Libera. Das hat dann einen ähnlichen Stellenwert wie das Konzert selbst. Das Nette am Soundcheck ist auch, Überraschungen gleichzeitig mit anderen zu erleben oder die Lieder zu raten, wenn durch die dicke Tür nur ein unvollständiger Klang dringt. Das ist so ein bisschen wie Weihnachten, wo grade das Nichtwissen Spannung und Vorfreude steigert. Deswegen geht an dieser Stelle ein großes Danke an diejenigen, die einen solchen Wunsch respektieren und daraufhin andere Wege gewählt haben, die bevorstehende Setlist an Interessierte weiterzugeben, um das angenehme Mysterium


Das Konzert war sehr gut, allerdings für mich nicht unter den besten meiner bisherigen acht. Das lag in zweifacher Hinsicht am Klang. Nummer 1 könnte mein persönliches Problem gewesen sein: Der Chorklang erreichte mich in sehr unausgewogener Weise. Ich konnte die individuellen Stimmgruppen deutlich voneinander unterscheiden, was normalerweise natürlich gerade schön und auch interessant ist. In Moskau war der Klang brillant, weil er so transparent war. Aber hier war er schlicht zu heterogen in Dynamik und Farben der verschiedenen Stimmgruppen. So spürte ich manchmal das Bedürfnis, diese Teile zu nehmen, einander anzugleichen und wieder zusammenzufügen. Möglicherweise lag das an meinem Platz in der zweiten Reihe, vor allem weil der Abstand zum Chor diesmal sehr gering war. Dies wiederum bot mir einen kaum zu übertreffenden Blick auf den Gesichtsausdruck der Jungen, wovon ich natürlich begeistert war. Und trotz des überdifferenzierten Klangs habe ich es sehr genossen, einige von ihnen sehr deutlich mit ihren natürlichen Stimmen heraushören zu können. Das liebe ich!
Der zweite Punkt war die heute seltsam zurückhaltende Dynamik des - ansonsten in jeder Hinsicht exzellenten - Chores. Das kannte ich von ihnen so noch nicht. Stellen, an denen der Libera-Klang normalerweise richtig aufblüht, schienen sich diesmal nicht voll zu entwickeln; anderen fehlte die gewohnte Kraft. Das hat meinen Genuss dann auch ziemlich beeinträchtigt, weil es wirkte, als würden Gefühle zurückgehalten, und das wiederum färbte auf meine eigenen ab. Hatte man ihnen vor dem Konzert gesagt, sie sollten nicht vollständig aussingen, vielleicht aufgrund ihrer Nähe zum Publikum? Aber das Entfalten des Klangs, das Schwelgen darin, ist so typisch für Liberas Musik. Sollte vor dem Konzert eine entsprechende Anweisung ausgesprochen worden sein, so war sie m. E. unnötig.
Die zweite Hälfte des Konzerts fand ich weit besser als die erste. Dieser vorsichtige Gesang war hier kaum noch zu vernehmen. Auch mit dem oben ausgeführten Gesamtklang kam ich besser zurecht, oder vielleicht wurde auch etwas geändert oder es lag an der Art der Lieder? Auf jeden Fall war es ansonsten ein wunderbares Konzert mit vielen Highlights, viel Staunen und viel Anlass zu lächeln (für mich

Das Konzert begann diesmal ganz ungewöhnlich mit einer doppelten Überraschung in Sachen Lied und seine Besetzung: Ein Nonett versammelte sich weit hinter dem Altar und sang Veni Creator Spiritus, das im Programm nicht gelistet war. Wie ich später hörte, waren manche Zuhörer mit diesem Start ins Konzert nicht glücklich; die Jungen waren ihnen zu weit weg und zu leise. Möglicherweise war es auch einfach das Ungewohnte, was sie störte, aber ich fand es gerade deswegen attraktiv. Wenn sich in Liberas Konzerten schon die Lieder so stark wiederholen, ist es sicher nicht verkehrt, hier und da auf andere Weise Abwechslung zu schaffen.
Auch der Gesang gefiel mir. Ich bin mir nicht sicher, ob Robert die Jungen diskret dirigierte. Sie waren jedenfalls auf irgendetwas in ihrer Mitte konzentriert. Was das war, konnte ich nicht herausfinden. Vielleicht hat einer von ihnen sie angeleitet, oder sie konnten sich hierdurch besser aneinander orientieren. Aber das Ende des Liedes, das "Wann" und "Wie", wurde deutlich erkennbar von Tadhg angegeben. Schön zu hören und interessant zu sehen.
Dieser mystische Anfang, wie aus einer anderen Welt, bildete einen kompletten Kontrast zu der folgenden, so bodenständigen Musik von Orinoco Flow, die mich in die Wirklichkeit zurückholte.
Sanctus mit Libera im Halbkreis ist die ideale Gelegenheit, die Augen einfach nur von einem Jungen zum nächsten wandern zu lassen und sich Zeit für alle zu nehmen. Darüber hinaus war es Sams erstes Glanzstück - und das wiederholte sich an diesem Abend noch oft! Er hat eine schöne und klare Stimme und singt voller Energie. Dass er heute so oft solistisch in Erscheinung trat, freute mich sehr.
Angele Dei so schnell wieder aus dem Programm zu werfen - darüber war ich ja seit Ely 2018 fassungslos.



Anfangs schien er mir leicht nervös, aber sein Klang entwickelte sich während des Liedes wirklich gut. Besonderes Lob verdiente er für die Phrasen, bei denen eine sehr gute Technik erforderlich ist, um die einzelnen Töne nahtlos miteinander zu verbinden. Das gelang ihm sehr eindrucksvoll. Ja, das sind kleine, aber bedeutende musikalische Momente für mich, und wenn sie so gut gesungen werden wie heute von Dominik, hallt das noch lange nach einem Konzert in mir nach.
Das nächste Lied war The Prayer. Weiterhin verblüfft Daniel mich mit seiner für sein Alter sehr reif klingenden Stimme, die er zudem erstklassig führt. Stimme und äußere Erscheinung decken sich halt immer noch nicht. Mal gucken, wie lang das noch dauert.

Salve Regina hat mich sehr überrascht. Obwohl nichts an dem Lied einer Live-Aufführung entgegensteht, kam mir nie in den Sinn, dass es tatsächlich mal im Konzert erscheinen würde. Als die ersten Orchestertöne mit der charakteristischen Oboe erklangen, war es immer noch ganz unwirklich für mich. Ich mag Tadhgs Stimme, und sie passt auch gut zu dem sanften Salve Regina. Allerdings darf er mutiger sein. Die vielen USA-Konzerte, die jetzt anstehen, sind da sicher hilfreich.

Sam Coates hat From a Distance wundervoll arrangiert! Der für mich zentrale Text des Liedes ist: "From a distance, you look like my friend even though we are at war. ... I cannot comprehend what all this fighting's for.", und es berührt mich jedes Mal tief, wenn ich diese Kinder damit höre. Dabei bleibt es ein Lied, das ich deutlich lieber live als von CD höre.
Oliver M. hat sich bei Stay With Me bislang kontinuierlich verbessert. Und trotzdem: Das Lied, das ihm an diesem Abend wie auf den Leib geschnitten war, folgte erst in der nächsten Konzerthälfte. Und Sam? Der sang erstklassige Vokalisen!

Auf Voca Me warte ich immer, und wenn sie es zwei-, dreimal oder öfter in einem Konzert singen würden, fände ich das nicht übertrieben ... Wie oben angedeutet, hatte Sam diesmal massenweise Hausaufgaben, die er fabelhaft ablieferte - nur Voca Me war heute nicht seins. Die Intonation, die in jedem seiner anderen Lieder tadellos war, wollte hier nicht richtig gelingen. Vielleicht spielte Aufregung eine Rolle, weil er so weit von den anderen entfernt stand, allein mit diesen anspruchsvollen Vokalisen. Sollte das der Fall gewesen sein, dann hat er mein volles Verständnis, weil ich eine solche Reaktion von mir selbst leider nur zu gut kenne, und zweifellos hat er die Situation weitaus besser gemeistert, als ich es jemals könnte!
Beim Zwischengesang verpasste er die erste Zeile.


Ähnliches habe ich mehrfach auch bei anderen Solisten wahrgenommen: Falls eine Phrase etwas wackelig geriet, haben sie sich doch nie entmutigen lassen, sondern fanden immer schnell zu ihrem sicheren Ton zurück; es ging auch nichts von der musikalischen Spannung verloren. Beeindruckende Professionalität, sie sind sehr gut auf die Konzertsituation vorbereitet!
Über die Beleuchtung an dem Abend kann ich so gut wie nichts berichten, weil ich sie unbewusst "mitnahm". Nur hier bei Voca Me gab es zwischenzeitlich eine Ausnahme. Kurz vor dem Höhepunkt erschienen meine Libera-Konzert-Lieblingsfarben: eine grün-blaue Kombination.
Auf dem Höhepunkt selbst - vermutlich das, was du, mawi, immer als Schrei bezeichnest - wechselte das gedämpfte Licht ganz plötzlich zu Weiß. Die Musik Voca Me ist für mich wie eine Wanderung, wie ein Sog zu irgendetwas hin, dem man dann ganz unerwartet gegenüber steht. Das Licht hat das perfekt versinnbildlicht: Zuerst mysteriöse und dunklere Farben, dann das harte Weiß, als ob man auf einmal mit einer alles enthüllenden Wahrheit konfrontiert wird, die man nicht leugnen kann. Fantastischer Effekt, sehr kreativ!
Ansonsten kann ich nur sagen, dass die Lichtregie wie gewohnt perfekt auf die Gegebenheiten des Veranstaltungsortes abgestimmt war. Beidseitig der Bühne standen zwei Statuen, die in die Beleuchtung integriert wurden. Und ich versuchte, mir vorzustellen, wie es wohl sein mag, Licht oder Ton an einem Konzertort zu steuern, an dem man selbst einmal als Libera-Mitglied aufgetreten ist und von anderen mit der Technik versorgt wurde.
Joyful, Joyful schloss joyfully den ersten Teil des Konzerts.
Es folgte die Gänsehauthälfte, und es ging sofort los damit: Fünf Lieder lang erlebten wir ein wunderschönes Lied nach dem anderen, und jedes ging mir auf seine Weise unter die Haut.
Ich war selig über das ersehnte How Shall I Sing That Majesty. Zwar hatte ich mir gute Chancen darauf ausgerechnet, es irgendwann live zu hören, aber beim Soundcheck traute ich dann doch meinen Ohren und meinem Glück nicht. - Es war das erste Lied nach der Pause. Dominik ging allein auf die Bühne und sang den Anfang, und während der ersten Takte folgte der Chor. Kam das so schon einmal vor? Jedenfalls leuchtet es mir ein, sowohl das Lied als auch die neue Konzerthälfte auf diese Weise zu beginnen.
How Shall I Sing That Majesty ist ein traumhaftes Lied, eines derjenigen mit einer ganz besonders schönen Strophenmelodie, sanft und hell, bis sich dann der strahlende Chorklang über und über entfaltet; ein echtes Libera-Lied und eins meiner immerwährenden Lieblingslieder. Ich hoffe, dass Robert es für lange Zeit im Konzert hält. Chor und Solist sangen mich zur ersten Gänsehaut!
Wonderful World war ebenfalls nach einer Pause zurück im Programm, und Victor sang das Solo. Dieses Stück drückt textlich wie auch musikalisch entspanntes Wohlbefinden aus, was Victor mit der ihm eigenen ruhigen Fröhlichkeit widerspiegelt und so die Stimmung und Botschaft dieses Liedes in idealer Weise übermittelte. Ich versank darin und ließ die wunderbaren Tage, die ich in Arundel verbracht hatte, vor meinem inneren Auge vorüberziehen, während Libera den besten Soundtrack dazu lieferte.
Das nächste Highlight war In Paradisum, und zu meiner großen Freude war Oliver WR der Solist. Seit For the Future und How Great Thou Art habe ich eine besondere Vorliebe für ihn. In Paradisum sang er wunderschön. Und ich konnte etwas Interessantes beobachten. Den Verdacht hatte ich bereits früher: Die beiden Töne, mit denen Rocco sich schwer getan hatte, fielen auch Oliver nicht leicht, und m. E. liegt das an den Wörtern "angeli" und "suscipiat", die an dieser Stelle zu singen sind. Das "i" ist in dem Register schwierig, und das "n" schließt möglicherweise die Stimme, anstatt sie zu öffnen. Ich bin jetzt überzeugt davon, dass es nicht die Höhe an sich ist, da weder Rocco noch Oliver irgendein Problem hatte, den noch höheren Ton im Refrain zu erreichen. Im Gegenteil, beide haben ihn hervorragend gesungen. Es liegt bestimmt nicht an den eigenen stimmlichen Fähigkeiten, sondern an der Gesangstechnik. Darüber bin ich sehr froh. Die Stelle hat es wirklich in sich.
In Paradisum zählt nicht zu meinen Lieblingsstücken, ist aber trotzdem jedesmal sehr ergreifend! Schon während des Soundchecks hatte es äußerst vielversprechend geklungen, und dieses Versprechen wurde gehalten. Oliver steht immer mit einzigartiger Selbstverständlichkeit da vorn und singt sein Solo, und seine Stimme ist so schön! Ganz schlicht, ohne zu forcieren, sang er die melodischen Bögen wie aus einem Guss, so wie man es sich vorstellt. Das hat mich total gefangen genommen! Auch das Duett Oliver/Sam fand ich sehr gut.
Ich meine, es waren Wonderful World und In Paradisum, bei denen die abschließenden Töne so ausgezeichnet gehalten wurden. Diese langen Töne am Ende, solo und dann auch noch kaum oder gar nicht begleitet, sind eine Herausforderung. Der Hörgenuss bei einem Lied ist dann richtig rund, wenn diese nicht abbrechen. Zudem beweisen die Jungen damit ganz praktisch, dass sie in der Lage sind, mit ihrem Atem hauszuhalten und den Ton zu führen. Victor und Oliver meisterten diese schwierigen Stellen ohne das geringste Anzeichen von Anstrengung oder Atemnot - es war in der Tat ein Genuss. Sie waren nicht die einzigen Sänger, denen das heute so gut gelang, aber bei diesen beiden war es für mich am deutlichsten.
In meinen frühen Libera-Zeiten war die Traurigkeit mancher Fans, wenn ein Sänger sich langsam aus seiner Solistentätigkeit verabschiedet, seltsam für mich. Mit der Zeit konnte ich das dann immer besser nachvollziehen. Hier z. B. habe ich sehr bedauert, dass Oliver WR nicht mehr der Solist für How Great Thou Art ist. Seine Stimme passt so gut dazu. Andererseits war auch Mathias völlig in Ordnung, und ich denke, da werden noch mehr Lieder für ihn folgen.
Diese unvermeidlichen Veränderungen sind ja auch nicht nur traurig, sondern immer auch spannend, und machen alles lebendiger. Im Übrigen kann ich mir Oliver WR noch besser als Dominik für How Shall I Sing That Majesty vorstellen, ohne damit Dominiks Leistung schmälern zu wollen.
Und jedesmal vergesse ich, dass bei How Great Thou Artnur die erste Strophe solistisch besetzt ist. Nach der ersten Strophe freue ich mich auf die zweite - um dann zu merken, dass es das an Solo ja bereits war.


Always With You ist ein nettes Lied, aber zu Hause höre ich es eher selten, und ich bin auch noch nicht auf die Idee verfallen, es in ein Konzert hineinzuwünschen. Vor diesem kämen erst mal eine ganze Reihe anderer Stücke. Aber wie man sich doch täuschen kann! Always With You wurde zum schönsten Lied des ganzen Abends! Es wurde einfach ganz unglaublich schön gesungen. Oliver M. habe ich noch nie so gut - und wirklich sehr gut - gehört! Er hat sich wirklich gemacht. Das Lied passt zu ihm, meiner Meinung nach viel besser als Stay With Me.
Zeit für die nächste Überraschung! Dahinten stand ein Junge und sang vollendete Vokalisen! Sein Gesicht wurde angestrahlt, und ich machte einen laaaangen Hals, um ihn zu erkennen, noch länger und länger, weil ich einfach nicht glauben wollte, was ich schließlich glauben musste: Es war mehr oder weniger ein Newbie, Luca, wie ich später erfuhr. Ich war total erstaunt, dass jemand nach so kurzer Zeit ein so spitzenmäßiges Solo präsentierte.
Auf seinem Part lag merklich Hall. Das hatte ich schon einmal bei einem anderen Sänger in einem anderen Konzert gehört, und damals hielt ich es - sicher bin ich nicht! - für eine Hilfestellung für den Solisten, der sich im Stimmwechsel befand. Heute jedenfalls ging es ganz sicher nicht um Unterstützung, sondern wurde m. E. gezielt als Stilmittel eingesetzt. Das Ergebnis war eine geradezu greifbare klangliche Dreidimensionalität mit einer enormen räumlichen Tiefenwirkung von Lucas Stimme in Richtung Altarraum. Das habe ich bei einem Libera-Konzert noch nie erlebt.
Lucas wundervolle, exakt gesetzte Vokalisen zusammen mit Olivers sanft fließendem Gesang waren schlicht Wellness für mich. Hervorragende Aufführung des Liedes, und am Schluss hatte ich nur einen Wunsch: Bitte wiederholen.
Von Luca hörten wir zu unserem Glück später noch einmal etwas ...

Irgendwie scheint Amazing Grace mir ein Testlied für neue Solisten zu sein, das manchmal zum Sprungbrett für größere Aufgaben wird. Aber vielleicht bilde ich mir das nur ein. Diesmal sang Cassius die Solostrophe und brachte mich zum Staunen. Mit ihm hatte ich noch gar nicht gerechnet, aber das war falsch! Dieses Lied ... hm ... ich möchte es ja furchtbar gern als Konzertlied loswerden, aber Cassius gefiel mir sehr. In ihm steckt sicher noch einiges, also: Amazing Grace, sei bitte besagtes Sprungbrett!
"Liberaaaaaaaa ...."
Oh ja!

Oh nein!!

Immer dieses zwiespältige Gefühl bei dem Lied! Ich liebe Libera, und ich liebe Libera. Aber dieses Lied in einem Konzert zeigt ja immer auch das nahende oder, vielleicht hier passender, drohende Ende an. Da ich das Programm nicht mitverfolge und auch nicht die Lieder zähle oder auf die Zeit achte, sondern jedes Lied nehme, wie es kommt, ist mir nie bewusst, wie weit wir mit dem Konzert sind. Die ersten Klänge von Libera lassen jedoch keinen Zweifel aufkommen, sodass mich jedesmal eine Mischung aus großer Freude und großem Bedauern überkommt - was mich aber glücklicherweise nicht daran hindert, die Musik dann doch zu genießen!

Ich kann die Überraschungen nicht mehr zählen. Schon wieder eine neue, deren Name passenderweise Neo war. Und er sang so schön!


Wenn der Sommer gerade begonnen hat, dann ist es höchste Zeit für ein Weihnachtslied. Aber bedenkt man, dass dieses Jahr eine neue Weihnachts-CD in Sicht ist, ist es wahrscheinlich gar nicht so weit hergeholt, dem erwartungsvollen Libera-Fan im Sommerkonzert Poor Little Jesus unterzujubeln. Es muss jetzt einfach auf der CD landen.

Das Lied, mit dem ich nicht gerade vertraut bin, wurde im Fast-a-cappella-Stil aufgeführt, was uns ja nicht ganz unbekannt ist. Mir gefällt dieses vereinzelte Einstreuen "minimalistischer" Musik und die damit verbundene erweiterte Vielfalt in Liberas Konzerten sehr. Jetzt war auch die Zeit für Lucas zweites Solo gekommen: Er übernahm eine der Strophen. Wieder fand ich ihn bemerkenswert gut. Seine Stimme ist schlank und sicher, seine Intonation war perfekt. Ich bin wirklich gespannt, wie es mit ihm weitergeht!
Poor Little Jesus war das richtige Lied, um zur Ruhe zu kommen und sich noch einmal zu sammeln, bevor das abschließende lebhafte Exsultate an die Reihe kam. Hier vermisste ich die Bodhrán, nicht nur deswegen, weil es immer so unterhaltsam mit Jon Ormston und Eimear McGeown ist, sondern weil der Ersatz für die Bodhrán breiig klang. Ich weiß nicht, ob der Part auf einer Trommel des Schlagzeugs gespielt wurde; jedenfalls schien mir der Klang aus dessen Richtung irgendwo hinter der Bühne zu kommen, und das war in der Akustik dieser Kathedrale keine gute Idee. Damit mangelte es an der klanglichen Präzision, die das Lied sonst zum Grooven bringt.
Nun hatte Sam auch einmal ein Hauptsolo, und ich würde mich freuen, wenn er mehr davon bekäme. Nach dem stilistisch ähnlichen Gaudete und jetzt Exsultate wäre ich jetzt mal neugierig auf ein Sam-Solo in lyrischem Stil.
Während der heutigen Zugabe Smile wurde in den Reihen des Chores passenderweise viel gelächelt, animiert natürlich von Robert auf dessen gewöhnlich-ungewöhnliche Weise mit dem Taktstock quer unter der Nase oder zwischen den Zähnen (das konnte ich nicht genau sehen). Tadhg brauchte das nicht, weil er etwas ganz Eigenes mit einem anderen Jungen zu lachen hatte, er konnte einfach nicht mehr damit aufhören, und ich musste an meinem Platz mitlachen. Victor sang dieses Lied - "sein" Lied -, wie wir es von ihm kennen. Alex G. verstärkte, eine Oktave tiefer, sehr berührend Victors Melodie. Aus seiner früheren Stimme habe ich mir nicht viel gemacht, aber die jetzige tiefe Stimme höre ich gern.
Ein paar Bemerkungen zu den Jungs:
Ich werde mal genauer auf Calam achten. Bisher habe ich ihn nicht so wahrgenommen, aber an irgendeinem Punkt später im Konzert zog er plötzlich meine Aufmerksamkeit auf sich, und dann kam ich nicht mehr weg. Seine Augen funkelten vor Energie auf eine unbeschreibliche Weise! Damit hob er sich richtiggehend vom Chor ab. Faszinierend.
Libera verfügt nicht nur über exzellente Sänger, sondern auch über ausgesprochen fähige Sprecher. Einer der besten ist meiner Ansicht nach Joe. Zunächst gefällt mir seine Stimme: Sie ist klar und hat einen bestimmten charakteristischen Klang, so ein bisschen durch die Nase, den ich sehr mag, und sie ist kräftig. Seine Sprachmelodie ist superangenehm, und er betont sehr gut. Jedesmal höre ich seinen Ansprachen zu, als wären sie Musik.

Apropos Reden: Jedesmal freue ich mich auf Tadhgs Vorstellung von "the real Moose!" oder diesmal "The.Real.Moose!"

Und Victor heimste an diesem Abend den Preis dafür ein, mich am meisten - und immer noch bei der Erinnerung - zum Lachen zu bringen, und zwar für seine unnachahmliche Art, Liberas 'Reiseziel' Bournemouth zu präsentieren! Hochmotiviert listete er Fernziele von Libera auf, ließ dann eine dramatische Pause folgen ... und setzte, in deutlich gedämpfterer Stimmung, fort: "... and Bournemouth". Das klang derart gelangweilt, dass mir unwillkürlich "Boringmouth" in den Sinn kam. Es war bester comedy style.

Wie erwähnt saß ich auf der rechten und gleichzeitig richtigen Seite, denn hier tat sich nicht nur das Meiste im Chor, sondern auch die Mini-Boys hatten hier ihren Platz vor der Bühne, wenn sie dran waren. Sie singen in ihrem Debütkonzert ja nur einige Lieder mit.

An Bord waren sieben Mini-Boys, wobei einer von ihnen, Hal, erst ganze sechs Jahre alt ist! So klein, um in einem so anspruchsvollen Chor mitzusingen. Aber ich halte das frühe Rekrutieren von Nachwuchs auch für ratsam, weil der Stimmwechsel sich zunehmend nach vorn verlagert. Es muss ja auch noch Zeit sein zu lernen und die Singstimme zu entwickeln, bevor es dann auch schon wieder vorbei ist.
Das älteste Libera-Mitglied der heutigen Konzertbesetzung war 13, wie wir einer der Reden entnehmen konnten. Hal ging voll in seinen musikalischen Pflichten auf! Überaus konzentriert und ernst, aber mit dem breitesten Lächeln, als er auf die Bühne gerufen wurde, um einen Extra-Applaus dafür einzuheimsen, dass er der Jüngste war. Ansonsten war er ein engagierter Sänger, offensichtlich ohne sich über den Text oder möglicherweise auch die Melodie ganz im Klaren zu sein, da die entsprechenden Mundbewegungen immer wieder einen Hauch zu spät kamen.


Ein anderer Junge, dessen Name mir derzeit noch nicht bekannt ist, sah Jack so ähnlich, dass ich mich den ganzen Abend über fragte, ob sie Brüder sind. Dieses Kind wollte sehr gerne das ganze Konzert singen und nicht nur so eine abgespeckte Mini-Boy-Version. Und warum um alles in der Welt sollte er auch, wo er doch alle Texte wusste?!




Die Mini-Boys wurden, wie es aussah, von Barbara angeleitet, die mit auf ihrer Bank saß, d. h. sie bedeutete ihnen, zu welcher Zeit sie kommen oder gehen und wo entlang sie in die Konzertpause gehen mussten. Zumindest bin ich mir nicht bewusst, dass Robert den Kindern Zeichen gab. Nach dem Singen setzten die Mini-Boys sich jeweils, in zwei Gruppen aufgeteilt, beidseitig in die erste Bank.
Da ich sie diesmal aus nächster Nähe beobachten konnte, habe ich einen großen Teil des Abends auch dafür genutzt. Es hat mich sehr angerührt, wie aufmerksam sie ihren großen Kollegen auf der Bühne zuhörten. Sie verhielten sich absolut diszipliniert und schienen aktiv zuzuhören und nicht lediglich auf ihren nächsten Auftritt zu warten. Bestimmt werden sie gut in den Chor passen.
Jetzt habe ich so viel über Solisten, Sprecher und Mini-Boys geschrieben, aber wer eigentlich das größte Lob verdient, ist der Chor als Ganzes! Wieder war ich so beeindruckt von Liberas klarem, strahlendem Klang und ihrer 100-prozentigen Intonationssicherheit. Ich kann das nie genug bewundern! Auch ihre Interaktion als Gruppe zu beobachten - und ein Chor, der auf der Bühne ständig in Bewegung ist, muss viel interagieren - macht jedesmal Spaß.
Während des Konzerts ertappte ich mich immer wieder beim Lächeln. Diejenigen, die dieses Konzert nicht erlebt haben, Libera aber in den USA oder Japan sehen werden, können sich auf so viel freuen! Viele neue, sehr gute Solostimmen, Rollenwechsel, ein breitgefächertes Programm, Libera in Bestform. Die größtmögliche Vorfreude ist grade das richtige Maß!

Ich gehe oft ins Konzert, und nach den meisten bin ich sehr guter Stimmung, oft auch motiviert. Aber eins hat nur Libera allein: Ich verlasse jedes Konzert stärker als vorher. Danke, Libera mit Robert, für das, was ihr mit eurer Musik in mir bewirkt!

Und jetzt nach der langen Lektüre noch etwas Entspannung:
- An einem der Tage besuchte ich die Kathedrale in Chichester. Dort steht ein Sarkophag mit Skulpturen eines Paares. Nach dem Lesen der dazugehörigen Erläuterungen, u. a. dass es sich bei dem Mann um einen Ritter ("Knight") handelte, hatte ich für den Rest des Tages When A Knight Won His Spurs im Kopf.
- Als ich wieder zu Hause war, erlebte ich noch eine weitere Überraschung: Im Konzertprogramm ist der Text von Exsultate nicht vollständig.
Es fehlen die Zeilen "Exsultate ...", "Jubilate ...". Ist mir nie aufgefallen, dass das zumindest in Ely 2017 auch schon der Fall war.
- Ich hatte ein signiertes Programm gekauft, wo ein gewisser "COB" gleich zweimal unterschrieben hatte! Ein anderer Fan freute sich für mich und betonte: "So you got one of them for free!" Wie privilegiert sich das anfühlte!
Aber im Ernst: Ich bin privilegiert: Ich habe Libera gefunden.
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Und noch einige Fotos (leider sind sie beim Verkleinern unscharf geworden, ich verstehe es nicht).