Ich hatte ein wenig überlegt, wie ich meine Eindrücke zur neuen CD
If „auf Papier“ bringe. Da ich ja die vorab veröffentlichten Lieder bereits ein wenig länger kenne, lag es nahe zuerst mit diesen zu beginnen. Von diesen Liedern kann sich der erste Eindruck auch schon wieder geändert haben. Nun habe ich mich entschlossen in der Reihenfolge der CD zu bleiben, auch um die Wirkung der Lieder im Gesamten beschreiben zu können.
Mit
Once an Angel beginnt das bedeutungsvollste Album in der Geschichte von LIBERA. Bedeutungsvoll aus dem bekannten traurigen Grund.
Once an Angel wurde ja bereits knapp zwei Monate vor dem Album veröffentlicht und damals hatte ich nur kurz geschrieben, dass ich gerne eine Instrumentalversion von dem Lied hätte. Darauf komme ich gleich, bemühe mich jetzt aber erst einmal um einen Moment der Stille, bevor die Musik beginnt.
Play...
Es erklingen sanfte leise Töne, eine kleine warme Melodie, wie wenn Regentropfen auf ein Xylophon oder Glockenspiel fallen. Mein spontanes Gefühl ist eines von Geborgenheit. Hat jemals ein LIBERA-Lied so sanft, so schön begonnen? Ich denke an
Nightwish (das kann ich in Kurzform allerdings nicht erklären) und werde jäh aus den Gedanken gerissen, als Victor beginnt zu singen.
Es ist erst der Kontrast zu seiner Stimme, im weiteren Verlauf des Liedes dann das Gefühl, dass Victor zu wenig artikuliert und viele Silben verschluckt. Gerade angesichts des bedeutungsvollen Textes stört es mich ein wenig.
Once an Angel ist ein langsames, aber nicht unbedingt ruhiges Lied. Zu Victor gesellen sich im Refrain und in der zweiten Hälfte der zweiten Strophe weitere Stimmen die sich zum Ende des Liedes verstärken und gerade dort, da sie lauter sind, etwas anstrengend klingen, auch da sich die Streicher in dem Moment ebenfalls in den gleichen Tonhöhen bewegen. Bei dem sanften Ausklang des Liedes wünsche ich mir danach eigentlich eine Pause, der Wirkung wegen.
Once an Angel ist ein schönes Lied mit einem traurigen Charakter, an das ich mich aber auch nach häufigem Hören immer noch ein wenig gewöhnen muss. Welche genaue Bedeutung das Lied hat, das werden wir sicher in einem Extra-Thread erkunden.
Ohne die eigentlich gewünschte Pause geht es mit einem schwungvollen und positiv klingenden Lied weiter, das bereits im Dezember 2020 in St. John's gesungen wurde.
Let Me Make Songs erklingt gleich mit dem gesamten Chor und Orchester, wird aber nach der Einstiegsstrophe ruhiger und gefühlt eine Strophe später noch einmal ruhiger. Aber nicht lange, denn weitere Stimmen, auch ältere, gesellen sich zwischenzeitlich dazu und verstummen wieder. Dies ist sozusagen die Vorbereitung auf den Schlussakt, denn
Let Me Make Songs endet, wie wir es von einigen Liedern kennen, mit einem leicht ekstatischem Finale. Ja, es gefällt.
Es folgt LIBERAs Coverversion von Michael Nymans Lied
If, das ja gleichzeitig das Titellied zur CD ist. Hier brauche ich nicht lange überlegen, wer der Solist ist, denn bereits nach den Fotos vom Video-dreh im letzten Jahr und dem Konzert im Dezember war klar, es ist Daniel White. If ist ein ruhiges Lied das einen auch ohne auf den Text zu achten in eine nachdenkliche Stimmung versetzt. Das Instrumental ist sehr zurückhaltend eingesetzt und besteht anfangs nur aus einem Taktgebenden Klavierton. LIBERA begleitet Daniel nur an wenigen Stellen und sehr dezent, sorgt aber als Ergänzung des Instrumentals für Harmonie und Ausdruck.
Es folgen ungewohnte Klänge und ich bin plötzlich sehr aufmerksam. Aus irgendeinem Grund hatte ich bereits im Vorfeld das Gefühl, es könnte sich beim
Cum Dederit um eine besonderes Lied handeln. Und das ist es, jetzt schon mein absolutes Lieblingslied auf dem Album. Basierend auf einer Komposition von Antonio Vivaldi hat
Sam Coates (ja, nicht
Robert Prizeman 
) ein kleines Meisterwerk geschaffen. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, das gilt für das Arrangement, das Lied gab es vorher schon)
Bereits die ersten Orchesterklänge, gepaart mit mystischen Stimmen des Chores bringen Spannung. Auch die lange Einleitung von einer Minute sorgt für zusätzliche Spannung. Dominiks Gesang ist eher klassisch als liberatypisch, aber es passt so wunderbar zu dem Lied. Anders als in vielen anderen Liedern ist es bei
Cum Dederit nie vorhersehbar wie es weitergeht, ob das nächste Stück des Liedes eine Weiterführung des soeben gehörten sein wird, oder in eine andere Richtung geht, ob die kleine vom Orchester gespielte Melodie einen in den folgenden Part mitnimmt, oder dann doch etwas anderes kommt.
Für den Abschluss übernimmt der Chor wieder die Begleitung vom Orchester und schafft eine angenehme Atmosphäre.
An zwei Stellen, finde ich, hätte Dominiks Stimme dann doch ein wenig gedämpfter sein können, aber insgesamt ist
Cum Dederit ein spannendes und trotz der vielen Wendungen eingehendes Lied.
Total Praise im Anschluss ist ein ziemlicher Kontrast und meine Begeisterung für dieses Lied hielt sich von Anfang an in Grenzen. Auf
„If“ ist es nun erstmals als echte Studioversion zu hören. Oder doch nicht? Aber ich finde es weiterhin recht anstrengend. Die instrumentale Begleitung fällt recht dezent aus, der Gesang von LIBERA hat eine ungewöhnliche „Schärfe“ und in der Kombination „alle Stimmen, hoch und laut“ wirkt es für mich einfach nur zu schrill. Daran ändert auch das harmonisch beginnende Amen nichts, wenn die letzten Töne einen zur Fernbedienung greifen lassen.
Ebenfalls aus
Apart but together ist uns das
Ave Maria (von Schubert) bekannt, das im Anschluss zu hören ist. Aber es ist eine Neuaufnahme, die deutlich länger ist und bei der Tadhgs Stimme jetzt deutlich dezenter und angenehmer klingt. Die starke Vibration in seiner Stimme integriert sich mehr in das Lied so dass allein seiner Stimme wegen das
Ave Maria etwas Besonderes ist.
Etwas Besonderes ist sicher auch
Sing for our World (Nusantara), ein Lied, das
Robert Prizeman aus dem indonesischen Sprachraum übernommen und mit einem englischen Text an LIBERA angepasst hat. Ganz sicher ist
Sing for our World kein typisches Lied für LIBERA, aber Robert hat es trotzdem zu einem gemacht. Vielleicht auch, um in dieser Zeit ein Lied mit einer positiven Botschaft zu präsentieren, vor allem aber mit der Botschaft zu singen.
Man kann sich vorstellen, dass es den kleinen Sängern bei dem Lied schwer fällt ruhig zu stehen, was wir auch beim Konzert im Dezember sehen konnten. Es fällt schwer, aber es geht.
Teilweise geben sie Sänger in dem Lied ungewohnte Laute von sich, die sich bei Betrachtung des Textes als in einem ungewöhnlichen Stil gesungene lateinische Worte herausstellen.
Wenn es nach den ersten zwei sehr flüssigen Strophen etwas ruhiger wird, dann ist dies nur die Vorbereitung für den finalen Part des Liedes. Sich immer weiter steigernd singt LIBERA eine aus Fülllauten bestehende Melodie, geht in die Schlussstrophe über und beendet das Lied mit einem wie aus einem Mund kommende
„Sing“. Diese Botschaft des Liedes ist das, was nach dem Hören des Liedes hängenbleibt, das Sing mit einem dicken Ausrufezeichen und aus der Vielzahl an Mündern gleichzeitig gerufen ist etwas, dem man sich nicht mehr entziehen kann. Selbst wenn man zwischendurch vielleicht mal die Melodie des Liedes vergessen hat, das
"Sing" bleibt.
Etwas ruhiger wird es nun auch und das bleibt eigentlich für den Rest des Album so und bei dem Gedanken, dass
Robert Prizeman mit
„If“ sein ganz persönliches Requiem gestaltet hat, ist dies dann auch sehr verständlich.
Bereits das folgende Lied
Nearer My God (to Thee) passt sehr gut zu dieser Überlegung. Das Lied wird im englischsprachigen Raum bei Beerdigungen und Trauerfeiern gesungen und war angeblich, das ist dann aber Zufall, das letzte Lied, das beim Untergang der Titanic von der Kapelle gespielt wurde.
Nearer My God ist bereits seit 2015 fester Bestandteil bei Konzerten und ist ein reines a capella-Stück, das im laufe des Liedes mit einer unterschiedlichen Anzahl von Stimmen gesungen wird, vom Solo bis zu fünf oder sechs Stimmen. Die CD-Aufnahme ist perfekt, bei den Konzerten hat die Liveatmosphäre meistens noch eine verstärkende Wirkung, auch wenn ich normalerweise Instrumente in der Musik benötige.
Eine Veröffentlichung des Liedes war eigentlich schon lange überfällig, aber es scheint fast so, als hätte
Robert hierfür auf den richtigen Moment gewartet.
Vespera wurde ja gerade erst von Aled Jones mit LIBERA neu aufgelegt und bereits vor zwanzig Jahren erschien
Vespera von LIBERA und Aled Jones in nicht allzu großen Abstand, wenn auch in anderer Reihenfolge. Hatte ich mit einer reinen Neuauflage des Liedes gerechnet? Ja, hatte ich. Aber diese Version ist mehr und auch wieder nicht.
Der Aufbau beider Versionen unterscheidet sich nicht, aber bereits die Einleitung, aufgrund derer das Lied manchmal auch irrtümlich mit dem Titel
Te Lucis geführt wird, macht einen Unterschied deutlich. Neben den Sopranen sind auch die tieferen Stimmen des Chores vertreten und die Stimmen wirken sehr klar und deutlich. Zum Ende der Einleitung fällt noch eine kleine Abwandlung in der Melodie auf, im ersten Augenblick nur deshalb, da man die Melodie anders kennt. Durch die Abwandlung wird die Melodie ein klein wenig geheimnisvoller. Wie in der Einleitung bleiben die Stimmen das gesamte Lied über sehr klar und gegenüber dem Instrumental sehr dominant. Es ist weniger Hall verarbeitet und die neue Version verzichtet auch auf die Percussionelemente der Urversion.
Vespera in der neuen Version ist gleichzeitig kirchentauglich wie intensiv. Es wird sich im Laufe der Zeit herausstellen, welche Version ich bevorzuge.
Nun bevorzuge ich den Wechsel zum nächsten Lied,
O Lord Support us. Die ersten gesungenen Klänge sind verheißungsvoll. Der Titel des Liedes wird am Anfang praktisch nach und nach gesanglich bekannt gegeben. Beim ersten Hören wirkte das Lied insgesamt leider erst einmal recht nichtssagend. Aber beim ersten Hören lasse ich auch nur die Musik auf mich wirken, ohne Hintergründe.
O Lord Support us, der Titel drückt es ja eigentlich schon aus, ist als Gebet zu verstehen. Nicht als ein einfaches Gebet, das man mal so zwischendurch, ohne über den Inhalt so richtig nachzudenken, gen Himmel schickt. Nein, es ist das Gebet einer tief gläubigen Person, die einsam in der Kirche vor Gotte kniend nur den innigsten Wunsch hat, dass die gesprochenen Worte erhört werden.
Tatsächlich klingt
O Lord support us mit dieser Erklärung für mich ganz anders, in sich stimmig, versetzt mich dann aber auch in tiefe Traurigkeit.
Sacris Solemnis kennen wir auch bereits vom Album
Luminosa und nachdem LIBERA nun
Vespera schon anders interpretiert hat, war auch hier mit einer Änderung des Liedes zu rechnen.
Begann das „Original“ sofort mit dem Gesang, so ist dem nun ein längerer Ton eines Instrumentes, das ich nicht genau zuordnen kann, vorangestellt. Für den Rest des Liedes gilt im Prinzip das gleiche wie für
Vespera. Der Gesang ist stärker als das Instrumental, so dass die Stimmen viel deutlicher zu hören sind. Richtung Ende werden diese dann aber wieder etwas schrill, aber vielleicht sollte ich es einfach nur etwas leiser hören.
Deep Peace (Gaelic Blessing) hat einen angenehm ruhigen Charakter und unterscheidet sich nicht wesentlich von bisherigen Veröffentlichungen des Liedes. Trotzdem ist auch hier auffällig, dass die Stimmen etwas weniger sanft klingen. Aktuell kenne ich die Namen der Solisten noch nicht (beim ersten würde ich auf Luca tippen), aber bei dem zweiten hatte ich das Gefühl, dass er seine Stimme noch nicht richtig geölt hatte. War es etwa Victor?
Bei
Nunc Dimittis ist es kaum zu glauben, dass dieses Lied aus der gleichen Feder stammt wie der Soundtrack von
Monthy Pythons "Das Leben des Brian".
1996 hatte der
St. Philip's Boys Choir dieses Lied auf dem zweiten Angel Voices Album bereits gesungen, oder besser Daren Geraghty.
In der neuen Aufnahme dieses interessanten Liedes sind nun deutlich mehr Stimmen beteiligt, aber anscheinend keine Instrumente. Ich muss noch mal genauer hinhören, aber wenn, dann kann nur dezent im Hintergrund etwas gewesen sein. An einer Stelle glaubte ich den Klang einer Trompete zu hören. Und wen glaube ich als Solisten zu hören? Es ist keine der jungen Stimmen und da ich auch hier des öfteren Vibrationen in der Stimme wahrnehme, könnte es Tadhg sein. Aber man täuscht sich ja so schnell. Ich stelle mir vor, wie dieses Lied live wirken mag, in einer dunklen Kirche und mit einem Solisten, der hinter dem Publikum steht, vielleicht sogar auf der Orgelempore.
Mit
Home folgt wieder ein bekanntes, wenn auch noch recht junges Lied, das zwar neu eingespielt, aber nicht verändert wurde. So macht sich auch der Einsatz eines neuen Solisten nicht bemerkbar. Angenehm zu hören, viel mehr kann ich dazu jetzt eigentlich nicht schreiben.
Mit Spannung erwartet schließt
Lux Aeterna das Album ab. Warum mit Spannung?
Lux Aeterna erschien ja bereits 2001 auf
Libera und 2008 noch einmal unter dem Namen
In Paradisum auf
New Dawn. Beide Versionen unterschieden sich eigentlich in erster Linie durch den Schluss, der in der ursprünglichen Version durch ein in der Ferne entschwindendes "in Aeterna" gebildet wurde. In der Folgeversion klang das Lied instrumental aus.
Nicht gerechnet hatte ich mit einer Neugestaltung des Liedes in dieser Art und ich war dermaßen ergriffen, dass ich mich bis jetzt nicht getraut habe dieses Lied ein weiteres Mal zu hören. Jetzt habe ich es selbstverständlich noch einmal gehört und mein Eindruck vom ersten Hören hat sich verstärkt.
Nachdem das Papier nun wieder getrocknet ist kann ich auch weiterschreiben.
Die im gregorianischen Stil gehaltene Einleitung ließ mich zuerst denken, das Lied wäre nur im Namen mit dem bekannten identisch. Mit dem Einsetzen der tieferen Stimmen, die dann zusammen mit den Sopranen ein Stimmengewirr einleiten, geht es dann doch in bekannter Form weiter. (Papier ist schon wieder feucht).
Aber
Lux Aeterna ist nun bedächtiger, nicht so fließend wie die ersten Versionen und auch hier sind die Stimmen deutlich stärker als das Instrumental.
Zum Ende wechselt
Lux Aeterna unerwartet wieder in den gregorianischen Gesang vom Beginn des Liedes, mit einer leichten Abwandlung in der Melodie und an einer Stelle mit einer langen Pause. Es ist ein Ausklingen, zwischenzeitlich auch noch mit den Altstimmen im Hintergrund und für die letzte Zeile bleibt nur noch der feine Gesang der Hauptstimmen. In meiner Interpretation sind diese Schlusszeilen der Moment, in dem Robert von den Engeln abgeholt wurde um ihn an seinen neuen Platz im Himmel zu begleiten. Der Moment, wo ich ein weiteres Mal zum Taschentuch greifen muss.
Lux Aeterna schließt das Lebenswerk von
Robert Prizeman ab. Oder muss es heißen, mit
Lux Aeterna schließt
Robert Prizeman sein Lebenswerk ab? Das kling für mich irgendwie schlüssiger.
Wäre
If ein normales Libera-Album, dann würde man sich wahrscheinlich über die geringe Abwechslung in den letzten Liedern wundern. Aber wenn wir den Gedanken verfolgen, dass ein Teil des Albums Roberts Requiem ist, dann passt einiges zusammen. Ein Requiem besteht aus sieben Teilen bzw. Liedern und schließt mit dem
Lux Aeterna ab. Zählen wir die letzten sieben Lieder ab, dann würde es bei
Vespera beginnen.
Mir gefällt das Album, muss aber auch eingestehen, dass ich an manchen Stellen den Gesang als etwas aufdringlich empfinde. Sicherlich passt es auch gerade zu dem Album die Stimmen nicht all zu lieblich klingen zu lassen. Vieles was mir irgendwo noch durch den Kopf gegangen ist habe ich nicht schreiben können, aber es wird sicher Gelegenheit geben, auf Manches noch einmal zurückzukommen.